Ein Gespräch über Wege, Mythen und Realitäten von Solo Müttern

Eine Solo-Mutterschaft einzugehen, kann für viele Menschen ein befreiender Schritt sein. Die Loslösung vom traditionellen Familienmodell mit all seinen Implikationen eine Chance, den Kinderwunsch selbstverantwortlich und autark zu realisieren. Möglicherweise fehlt der passende Partner zur richtigen Zeit. Oder der Partner hat keinen Kinderwunsch. Oder romantische Partnerschaften sind nicht das richtige Lebensmodell. Gründe kann es viele geben. Neben einigen Vorteilen geht eine Solo-Mutterschaft gewiss auch mit einigen Nachteilen einher. Wie so oft im Leben gibt es nicht nur schwarz oder weiß.
Wir sprechen deshalb mit Katharina Horn, sie ist von der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunsch zertifizierte Beraterin und kennt sich insbesondere mit dem Thema Solo-Mutterschaft gut aus.
Liebe Katharina, kaum jemand hat sich so viel mit dem Thema der Solo-Mutterschaft beschäftigt wie du. Persönlich und in beratender Tätigkeit. Was ist das Erste, das dir einfällt, wenn du den Begriff Solo-Mutterschaft hörst?
Spontan fallen mir drei Begriffe ein: Selbstbestimmung, Kinderwunscherfüllung, Herzensentscheidung.
Was sind deiner Ansicht nach Mythen um die Solo-Mutterschaft herum? Welche lassen sich widerlegen, welche treffen zu?
Als negative Attribute fallen mir ein, dass die psychische Situation adressiert wird, Solo-Mütter seien beziehungsunfähig, zu verkopft, zu kompliziert, zu schwierig. Vielleicht auch zu wählerisch. Aber ich würde sagen, Solo-Mütter/ -eltern sind emanzipiert, können frühzeitig erkennen, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Sinn macht, eine Beziehung einzugehen, weil der Kinderwunsch viel größer ist als der Wunsch nach einer Partnerschaft. Und wenn ich von Anfang an wahrnehme, dass es mit dieser Person nicht gut passt, und keine Zeit mehr mit Dates verschwende, dann kann ich sehr gut für mich sorgen und dann bin ich nicht beziehungsunfähig, sondern klar und selbstbestimmt. Dass Solo-Mütter keine mentalen Auffälligkeiten aufweisen und sich deren Kinder nicht von ihren Altersgenossen unterscheiden, die zwei Elternteile aufweisen, zeigt beispielsweise die Studie von Susan Golombock (Golombok, Zadeh et al. 2021).
Ein Vorwurf, der mir noch einfällt, ist, dass Solo-Mütter egoistisch seien. Das wiederum bestätigt sich in meiner Arbeit nicht. Meiner Auffassung nach denken sie sehr lange und intensiv über diesen Wunsch nach, meistens ein bis fünf Jahre, bis sie sich final für die Umsetzung entscheiden. Sie hören Podcasts, lesen Bücher, gehen in Webinare, suchen Beratungen auf, bereiten sich intensiv vor, befragen ihr Umfeld, sparen sich viel Geld an und schließen mit sich selbst Kompromisse, um an der Kinderwunscherfüllung zu arbeiten. Sie warten oft bis zu einem gewissen Punkt, bis sie sich gefestigt fühlen, beispielsweise beruflich, bis sie den Eindruck haben, dass sie ihrem Kind ein gutes Leben ermöglichen könnten. Das ist meine Erfahrung und in meinen Augen alles andere als egoistisch. Den allermeisten Solo-Müttern ist klar, dass sie ihr Kind frühzeitig aufklären werden und einen offenen Umgang mit diesem Weg finden müssen, ohne Lügen und Geheimnisse daraus zu machen. Und sich dafür zu entscheiden, ist meistens ein gut reflektierter Prozess, aber keinesfalls eine leichtfertige Entscheidung.
Wie sollte jemand vorgehen, der sich mit dem Thema der Solo-Mutterschaft auseinandersetzen will?
Im ersten Schritt würde ich einen Fertilitätscheck machen, um zu klären, wie meine biologische Situation ist, bevor ein langes Nachdenken einsetzt. Idealerweise in einem Kinderwunschzentrum, um die Situation und die Menschen dort kennenzulernen. Dann muss ich mir darüber klar werden, welcher Weg zu mir passt: ist es eine private Samenspende, eine Co-Elternschaft oder eine Samenbankspende.
Das sind die häufigsten Wege. Oder vielleicht auch eine Adoption oder eine Pflegschaft. Um Klarheit zu erlangen, kann eine psychosoziale Beratung unterstützen und ich würde empfehlen, sich zu vernetzen, mit anderen Menschen zu sprechen, die sich für einen Weg entschieden haben und darüber Erfahrungen für sich zu sammeln. Diesen Weg begleite ich in meiner Beratung oft.
Welche Ressourcen braucht es, damit eine Solo-Mutterschaft gut gelingen kann?
Für eine gut gelingende Solo-Elternschaft braucht es viele unterschiedliche Ressourcen. Ich finde wichtig, eine Bereitschaft zu haben, das eigene „Dorf“ zu errichten, also zu überlegen, wer Teil meines sozialen Netzwerkes sein könnte, und wer mit welchen Aufgaben unterstützen würde. Es geht nicht darum, die Vaterrolle oder irgendetwas zu ersetzen, sondern offen dafür zu sein, verschiedene Rollen in meinem „Dorf“ zu belegen, Menschen zu haben, die mich und mein Kind unterstützen. Ein „Dorf“, das bei logistischen, praktischen und emotionalen Fragen unterstützend wirkt. Auch die Bereitschaft als Solo-Mutter, im Bedarfsfall, Hilfe anzunehmen, auch wenn es nicht leichtfällt, finde ich entscheidend. Zudem sind finanzielle Ressourcen bzw. Rücklagen eine gute Vorbereitung auf ein Leben mit Kind.
Was könnte sich nachteilig auswirken?
Nachteilig auswirken könnte sich meiner Meinung nach die fehlende Bereitschaft, offen mit dem Kind über seine Entstehung zu sprechen. Wenn Spender involviert sind, ebenfalls die mangelnde Bereitschaft des Spenders auf Wunsch Kontakt aufzunehmen. Ebenso für nachteilig halte ich einen nicht abgeschlossenen Trauerprozess, wenn eigentlich ein anderer Lebensplan vorlag und davon noch nicht Abschied genommen wurde, dem klassischen Plan A. Diese Emotionsarbeit in die Zukunft zu verlagern, halte ich nicht für sinnvoll. Das schlimmste jedoch, ist zu entscheiden, nicht über die Entstehung zu sprechen, daraus ein Geheimnis zu machen und zu lügen. Manchmal kommt es auch vor, dass die betroffene Person sich stark auf den Kinderwunsch fokussiert und dabei den Spender aus dem Blick verliert. Dies kann sich für das Kind und die Familie nachteilig auswirken, insbesondere dann, wenn es viele genetische Halbgeschwister geben sollte und diese Spenderfamilien anonym bleiben wollen.
Kennst du Kinder, die inzwischen Jugendliche oder junge Erwachsene sind, deren Mütter sich proaktiv für eine Solo-Mutterschaft entschieden haben? Wenn ja, was ist deren Fazit zum Familienmodell?
Kinder, die inzwischen Jugendliche oder junge Erwachsene sind, Kinder von Solo-Müttern oder Solo-Eltern gibt es, allerdings haben wir da kaum Erfahrung aus offenen Spenden. Diese offenen Spenden waren für alleinstehende Personen erst spät in Deutschland möglich, sodass uns da die Erfahrungsberichte bisher fehlen. Die Eltern, die ich getroffen habe, die von Beginn an ihr Kind aufklären und offen im Umfeld damit umgehen, berichten ausnahmslos alle, dass sie glauben, es anderen Eltern gegenüber leichter zu haben. Mein Fazit aus diesen ganzen Geschichten ist immer, dass das Umfeld unheimlich wichtig ist. Solo-Mutterschaft heißt nicht nur sich dafür zu entscheiden, das Kind aufzuklären, sondern wirklich auch das Umfeld und hier brauche ich eine gewisse grundsätzliche Bereitschaft und hier kann die Community wieder helfen. Was ich beobachte, ist, dass es aber in den letzten Jahren viel offener geworden ist als vielleicht noch kurz nach Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes – was ich wichtig und gut finde.
1 Referenz: Golombok, S., S. Zadeh, T. Freeman, J. Lysons and S. Foley (2021). "Single mothers by choice: Parenting and child adjustment in middle childhood." J Fam Psychol 35(2): 192-202.