Politik und Öffentlichkeit hängen der Realität leider weit hinterher

Ein Mann, zwei Kinder, drei Mütter: Jochen König ist Vater, Single, Blogger und Autor. Dazu lebt er in einem Co-Parenting-Modell aus Überzeugung. Für Familyship spricht er über den „Vater“ in unserer Gesellschaft.

Jochen König

Jochen, was ist Familie in 15 Jahren?

Familie ist da, wo Menschen dauerhaft und verlässlich füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen. Schon heute passiert das in den unterschiedlichsten Konstellationen. Politik und Öffentlichkeit hängen der Realität leider weit hinterher und orientieren sich noch immer viel zu oft am Mama-Papa-Kind-Modell. Das ändert sich hoffentlich in den nächsten 15 Jahren und mehr Konstellationen finden Berücksichtigung in gesellschaftlichen Debatten und politischen Entscheidungsprozessen.

Das Familienbild hat sich in der Vergangenheit häufig verändert und wird sich auch immer weiter ändern. Ich wage keine genaue Prognose, aber ich glaube es ist nicht allzu gewagt, anzunehmen, dass das Mama-Papa-Kind-Modell weiter an Bedeutung verlieren wird, die Zahl der Alleinerziehenden sowie der Regenbogenfamilien und Co-Eltern-Familien wächst und neue Konstellationen entstehen werden.

Wie hat sich die Vaterrolle gewandelt?

Es gibt durchaus eine Entwicklung. Mittlerweile geht es zum Selbstverständnis der Mehrheit der Väter dazu, nicht mehr nur alleine die Rolle des Ernährers auszufüllen, sondern auch Kontakt zu den Kindern aufzubauen und Zeit innerhalb der Familie als etwas Positives und Wünschenswertes zu begreifen. Immer mehr Väter nehmen Elternzeit, allerdings mehrheitlich genau die zwei Monate, für die es nur Geld gibt, wenn sie vom Vater genommen werden. Am Ende der eigenen Elternzeit übernimmt der Vater in vielen Familien dann die Eingewöhnung im Kindergarten und damit den ersten Kontakt zur Öffentlichkeit, getreu der klassischen Rollen: Die Frau ist zuhause für die Familie zuständig, der Mann regelt den Kontakt der Familie mit der Außenwelt.

Wie ist das Bild eines Vaters in den Medien und wie bewertest du das?

Medial werden Väter häufig als moderne Helden dargestellt. Sie werden gelobt und gefeiert, wenn sie – wie Mark Zuckerberg – mal die Windel eines Kindes gewechselt haben oder wenn sie – wie Sigmar Gabriel – mal einen Tag mit krankem Kind zuhause geblieben sind. Und jedes Jahr ist es eine neue Erfolgsmeldung wert, wenn wieder eine Handvoll Väter mehr für zwei Monate in Elternzeit gegangen sind. Die meiste Sorgearbeit bleibt in der ganzen Zeit weiterhin wie selbstverständlich und ohne besondere Würdigung an den Müttern hängen. Angesichts der Zahl von nur 6 % der Väter, die länger als zwei Monate in Elternzeit gehen, ist es noch ein weiter Weg bis zu einem ernstzunehmenderen Wandel der Vaterrolle. Vor diesem Hintergrund wirkt die mediale Präsenz von „modernen“ oder „neuen“ Vätern reichlich absurd.

Welche Rolle nimmt ein Vater im Vergleich zur Rolle der Mutter innerhalb einer Familie ein?

Die Ausgestaltung der Rollen muss jede Familie für sich selbst aushandeln. Das Geschlecht und auch die Beteiligung bei der Zeugung eines Kindes legt nicht automatisch die Rolle und die Aufgaben innerhalb der Familie fest. Es wäre schön, wenn die Belastungen, die die Sorge für ein Kind mit sich bringt, in Zukunft nicht mehr so sehr anhand der Geschlechter der Beteiligten aufgeteilt wären, sondern vielmehr anhand individueller Interessen, Möglichkeiten und Bedürfnisse – völlig egal, ob es sich um einzelne oder mehrere Mütter, Väter oder sonstig verantwortliche Elternteile handelt.

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